Mein neuer Freund mit der sexy tiefen Stimme.

In meiner glorreichen Karriere als Musiker habe ich schon so einige Instrumente durch, das eine konnte ich besser, das andere schlechter. Gnadenlos gescheitert bin ich an der Gitarre. Nicht, weil mir das Prinzip nicht einleuchten würde, ich keinen Sinn für Harmonien hätte oder ähnliches. Ich habe schlicht ein anatomisches Problem: Meine Finger sind ein wenig zu “wuchtig”, als dass ich auch nur annährend Barregriffe greifen könnte. Somit war nach E, D, G, A, C, em, H7, D, dm, am und noch ein paar anderen Akkorden Schluss.

Ich lag deswegen nicht nachts im Bett und habe geweint- blieb mir doch immernoch mein Klavier. Dennoch wollte ich noch ein anderes Instrument lernen. Klavier, Blockflöte, Trompete, Schlagzeug und Gitarre hatte ich ja nun durch (diese Liste ist nach Lernerfolg und Professionalität geordnet). Für ein Saxophon hören meine ältern Nachbarn noch zu gut, Geige möchte ich meinem Zitronenbaum nicht antun und ein Alphorn hätte ich nicht durchs Treppenhaus bekommen.

Also kaufte ich mir einen Bass. Dies war von langer Hand geplant und immer wieder eine Überlegung: ziemlich genau vor einem Jahr war ich in den schönen Niederlanden auf einem Konzert von Mary Black, deren Bassist mich sehr beeindruckte. Sofort wurde die Idee wach, mir doch einen Bass zu kaufen. Einen Acoustic-Bass, keinen E-Bass. Auch keinen Kontrabass: Sondern eine Bassgitarre. Bassisten sind sowieso die cooleren Bandmitglieder. Erstens sind sie relaxter als so manch anderer Saiteninstrumentspieler, zweitens brauchen sie keine Soli und sind dennoch die wichtigste Grundlage jeder Musik.

Vor drei Wochen nun habe ich meinen Plan in die Tat umgesetzt  und einen Bass erworben (in Irland hätte ich mir beinahe auch schon einen gekauft, aber der Plan scheiterte an der Vernunft und den Grenzen für maximale Handgepäckgrößen. Außerdem wäre dort weniger Zeit für das Sightseeing in Pubs gewesen, wenn ich hätte üben müssen).

Das schöne am Lernen eines Instruments ist, dass man etwas völlig anderes und neues tut. Offensichtlich weckt man jede Menge Gehirnzellen auf, die man selten bis nie benutzt hat. Schließlich ist der Bewegungsablauf beim Bassspiel nicht mit dem des Klavierspiels zu vergleichen. Erstaunlich ist auch, wie schnell man Fortschritte macht. Bass ist nicht so schwer, man braucht ein wenig Grundtalent für Musik und schon gehts los. Ich würde sogar fast behaupten, dass man sehr schnell eine generelle Kreativitätssteigerung in vielen anderen Dingen feststellen kann. Durch das Ausbrechen aus gewohnten Abläufen oder Bewegungen (klingt knöchern, ist aber so!) kriegt man den Kopf frei und ist bereit für die Aufnahme neuer Dinge. Dazu kommt, dass ich durch Chorleitung und Bandgespiele am Keyboard gewohnt bin, viel mehr sogenannter Flächensounds, Klangfarben etc. zu verwenden. Beim Bass ist das nun viel gemäßigter: Man spielt immer nur einen Ton. Nicht, dass man deswegen faul wäre. Aber es ist doch insgesamt die lockerere Variante.

In knapp drei Wochen nun muss ich auch direkt auf die Bühne und mein weniges Bass-Können direkt am lebenden Objekt testen. Ich wurde als Bassist “gebucht”: Das mit der Karriere geht offensichtlich beim Bass auch schneller als mit dem Klavier: Ich soll 5 Lieder begleiten. Somit habe ich also direkt einen Anreiz, mein mageres Können schnell auszubauen. Ich freue mich drauf.

Die heimlichen Herrscher.

Brieffreundschaften sind nun endgültig out. Die Zeiten, in denen man Briefe handschriftlich kreierte, erlebten in den letzten Jahren einen rasanten Zerfall, genauso wie die VHS-Kassette oder der Röhrenfernseher. Das ist alles nichts neues. Emails ersetzen Briefe, Kinder haben heute dank SMS eine übermäßig stark ausgeprägte Daumenmuskulatur, über die orthopädischen Spätfolgen des Tippens dieser zeitfressenden Kurznachrichten weiß noch keiner was. Kurzum, spannende Zeiten der Kommunikation. Schlecht ist das alles nicht, im Gegenteil, ich gehöre zu den überzeugten Anhängern aller schnellen Kommunikation und des immer und überall Online-Seins.

Auch ich habe einen Account bei Xing, StudiVZ, Wer-kennt-wen, Facebook und eins.de- der heutigen Echtzeitform der Weihnachtsbriefe und monatlichen Anrufe bei Muttern, immer und überall verfügbar. Soziale Netze sind eine schöne Sache: Man verwaltet Kontakte zu alten Kollegen, Freunden, Kommilitonen und Bekannten. Das ist toll: Man hört mal wieder von Menschen, die man schon lange nicht gesehen hat und bei denen man sich ansonsten vielleicht nie gemeldet hätte- sei es aufgrund des schlechten Gewissens wegen des sich nicht Meldens an sich oder wegen einer scheinbar höhren Prioritätsstufe der Person aufgrund der Einfachheit des online Kontaktaufnehmens.

Ich habe keine Freunde

Dennoch muss ich doch manchmal schmunzeln über die Art und Weise, wie diese Netzwerke genutzt werden. Interessant, wer da alles so als Kontakt auftaucht. Offline sind wir Deutschen im europäischen Vergleich weniger kontaktfreudig als andere Nationen. Online scheint dies aber doch ganz anders zu sein. Aktuell habe ich in meinem Wer-kennt-wen Account 17 Leute, die gerne meine Freunde werden möchten, bzw. es offensichtlich schon sind, denn sie schreiben mich ja an. Das Problem ist nur: Ich kenne sie nicht. Klicke ich auf das Profil dieser Freundschaftsanwärter, sehe ich, dass diese offensichtlich andere meiner Freunde kennen. Kennen ist vielleicht zuviel gesagt: Denn diese Personen haben oft 500 Freunde! Wahnsinn, bin ich einsam. Mein aktueller Freundesbestand sieht so aus:

  • StudiVZ: 134
  • Wer-kennt-wen: 146
  • Xing: 113
  • Facebook: 11

Als ich mich bei Facebook anmeldete, wurde ich mit den Worten “Du hast keine Freunde” begrüßt. Diese unglückliche Statusmeldung nehmen sich viele User offensichtlich sehr zu Herzen und sammeln und sammeln Kontakte über Kontakte. Meine Freundesanwärter bringen offensichtlich viel Zeit mit. Wie pflegt man Kontakte zu 500 Freunden? Da reicht ein Fulltimejob nicht aus. Wahrscheinlich sind diese Menschen auf meiner Liste die heimlichen Herrscher dieser Welt, mit einer Schar von Sekretärinnen, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als Nachrichten an Freunde zu verfassen, zu “Gruscheln”, ihre Bosse auf Bilder zu verlinken oder Nachrichten in den zahlreichen Gruppen zu schreiben, denen man beitreten kann. Irgendwann übernehmen diese gruseligen Diktatoren die Welt und wer nicht zum Kreis ihrer Freunde gehört, wird ins soziale Abseits gedrängt.

Unverhoffte Freunde

Anfangs dachte ich, meine Freundesanwärter haben sich verklickt. Ich habe ja nun einen Allerweltsnamen und da wird man schon mal verwechselt. Vielleicht suchten sie einen ganz anderen Matthias Müller. Also klickte ich in der Liste meiner “Ich-möchte-Dein-Freund-sein”-Menschen für gewöhnlich auf den Ichkennedichnichtbutton, wenn ich eine dieser verzweifelten Anfragen bekomme. Zum Beispiel Christina, bei der weder das Foto, noch Hobbies oder Bekanntenkreis darauf schließen ließ, dass ich sie kenne. Zwar haben wir 2 gleiche “Freunde”- aber erinnern kann ich mich dennoch nicht. Also: Ichkennedichnichtbutton drücken. Ist ja nur nett, vielleicht bin ich ja wirklich der Falsche.

Aber es dauerte – wie in den meisten Fällen- nicht einen Tag, bis ich in meinem Emailpostfach eine Nachricht erhielt, dass “Christina nervt, sie möchte Dein Freund werden”.  Innerlich fing ich nun an, Synapsen zu aktivieren, die verstaubt in meinem Großhirn auf Benutzung warteten: ich kramte Namen von Grundschulfreunden, Kommilitonen, Kollegen etc. hervor. Ich hatte schlaflose Nächte, in welchen ich versuchte, mich daran zu erinnern, wer wohl die nervende Person ist, die in meinen engsten Kreis aufgenommen werden will.

Es fiel mir nicht ein. Allerdings traute ich mich aber auch nicht, ihr noch einmal mitzuteilen , von der Warteliste genommen worden zu sein. Also lasse ich sie nun in meiner Hall of Fame der Anwärter stehen, wo ihr Name neben vielen anderen auf Godot wartet.

Einseitige Freunde

Das ganze ist doch sehr merkwürdig. Wir sammelten früher noch Sticker und nur die besten Freunde bekamen die schönsten Aufkleber im Tausch oder durften mit ins Baumhaus in den elterlichen Garten. Heute werden Kontakte gesammelt wie Sticker. Online ist man offensichtlich schon ein Freund, wenn man sich einmal im Leben gesehen hat oder man sogar nur einmal gesehen wurde. Onlinefreundschaft  in sozialen Netzwerken ist offensichtlich häufig sehr einseitig, wenn man überhaupt von Freundschaft sprechen kann. Anders kann ich mir es nicht erklären, dass ich von diesen vielen sicher netten Leuten als Freund angesehen werde, ohne, dass ich jemals ein Wort mit ihnen gewechselt habe. Und auch nur die Tatsache, dass diese Menschen vielleicht jemanden kennen (oder gesehen haben), mit dem ich tatsächlich schon einmal gesprochen habe oder der sogar ein Teil meines Lebens war oder ist, rechtfertigt doch nicht eine Aufnahme in meinen Freundeskreis.

Ich habe manchmal den Eindruck, dass auch ein weiteres althergebrachtes Hobby der Onlinewelt zum Opfer gefallen ist. Statt Briefmarken sammelt man offensichtlich Kontakte.

Ich kenne Menschen vom sehen, weiß vielleicht auch ihren Namen. Aber deswegen würde ich sie nicht als Teil meines Soziallebens betrachten. Denn etwas anderes ist doch ein Soziales Netzwerk nicht: Eine Online-Abbildung meiner sozialen Verbindungen. Wenn nun also ein “sich einmal sehen” schon ausreicht, um auf der Freundesliste zu landen, werde ich mal bei den Betreibern nachfragen, ob man nicht eine Funktion einbauen kann, die auf Knopfdruck alle Menschen zu meinem Profil als Freund hinzufügt, die im Umkreis von 100m um mein Haus wohnen. Oder die, die ich immer morgens am Bahnsteig oder der Bushaltestelle sehe.

Viele verkehren den primären Sinn dieser sozialen Netzwerke. Denn dieser ist doch, sein Offlineleben zu vereinfachen und zu bereichern, indem man online den Kontakt und Austausch mit Menschen des offline/online Lebens pflegt und fördert. Der wichtigste Bestandteil dessen ist, dass man in Kontakt bleibt. Aber wie ist dies möglich, wenn man jeden, dem man begegnet, als Freund betrachtet und seine Liste mit Kontakten nicht nur mit mit Menschen des näheren sondern auch des sehr weiten Umfelds füllt, wie zum Beispiel meine Christina? Sie kennt jemand, den ich kenne und hat mich vielleicht schon gesehen. Ich sie aber nie. Die meisten dieser so gesammelten Kontakte landen also im digitalen Nirvana und verstauben in der Freundesliste. Hauptsache irgendwie “gekannt”. Wie will man auch zu 500 Leuten in Kontakt bleiben? Eine Ordnung der Freunde beispielsweise nach Kontakthäufigkeit oder die Vornehmung irgendeiner anderen Priorisierung ist online nicht möglich, Freund ist Freund. Spätestens jetzt wird doch ein soziales Netzwerk zur stressigen Angelgenheit, wenn ein Nutzer aus 500 Leuten auch noch diejenigen herausfiltern muss, mit denen er tatsächlich in Kontakt ist.

Da bin ich doch froh, dass ich tatsächlich mit jedem, den ich in meinen wertvollen Listen habe, schon gesprochen habe und auch auf der Straße ansprechen würde, wenn ich ihnen begegne.