Im Winter hat die Nordsee einen besonderen Charme. An Baden im Meer ist nicht zu denken: Es ist zu kalt und selbst, wenn es das nicht wäre, ist die Brandung so stark, dass ein Sprung ins Wasser eine abenteuerreiche Angelegenheit wäre. Die kalte Jahreszeit ist sicher eher was für ruhige Spaziergänge am Strand, abseits der Touristenströme im Sommer.
Die größte der ostfriesischen Inseln ist Borkum. Man erreicht sie mit der AG Ems von Emden aus in knapp zwei Stunden Fahrt mit der Fähre. Wer möchte, nimmt sein Auto mit, ich empfehle aber, es einfach auf dem Festland zu lassen und die Reise zu Fuß anzutreten. Angekommen auf Borkum bringt einen die kleine Bahn, die genau drei Stationen hat (den Hafen und zwei Stops im Ort) ins Zentrum von Borkum.
Das Zentrum wirkt ein wenig wie die verstaubte Kulisse aus einer Hotelserie aus den Siebzigern: Die Architektur der Hotels, die sich in den Stichstraßen zur Promenade schlängeln, haben etwas Apokalyptisches. Was im Winter aber durchaus extremer erscheinen mag als im Sommer.
Unser Hotel ist das Nordseehotel Borkum. Ein Familienbetrieb, direkt am Strand von Borkum gelegen. Wir haben Glück und bekommen ein Upgrade auf ein Doppelzimmer Superior, mit direktem Meerblick.
Der Hauptort von Borkum liegt direkt an einer weit und flach abfallenden Sandbank – bei Ebbe ist das Meer also recht weit weg.
Nachdem wir uns für die kommenden 24 Stunden eingerichtet haben, machen wir uns direkt auf den Weg an den Strand. Es ist Flut und über dem Geschrei der Möwen und dem gelegentlichen Lachen anderer Touristen liegt das ununterbrochene, fast ohrenbetäubende Rauschen des Meeres. Schließt man die Augen, wirkt es fast bedrohlich.
In der Ferne, auf der anderen Seite der sichelförmigen Sandbank, machen es sich Seehunde bequem und trotzen Wind und Kälte. Ein wunderschöner Anblick. Der Wind ist eisig, aber die Sonne scheint. Und so lassen wir uns, eingepackt mit Schal, Mütze und Handschuhen, den Strand entlang treiben und schlendern, links das Meer und rechts die Dünen, am äußersten Rand der Insel entlang.
Im Winter haben bei weitem nicht alle Restaurants und Cafés der Insel geöffnet. Es sind nicht genügend Gäste vor Ort. Ein paar kleine Juwelen gibt es dann aber doch: Das Café Matrix beispielsweise. Es liegt direkt am Strand der Promenade und lockt mit frischen Waffeln, Blick aufs Wasser und maritimer Atmosphäre. Ein schöner Ort, um an einem kalten Wintertag die Seele baumeln zu lassen.
Bewegt man sich abseits der Promenade, weg von den großen Hotels, hinein ins alte Zentrum von Borkum, so zeigt sich der Ort von seiner historischen Seite. Kleine Backsteinhäuser ducken sich im Wind und schlängeln sich entlang kleiner Gassen. Hier gibt es tatsächlich einiges zu entdecken: Borkums Geschichte des 18. Jahrhunderts ist geprägt vom Walfang. Und so findet sich rund um den alten Leuchtturm, der früher auch der Kirchturm war, ein Friedhof mit den Gräbern von Walfängern. Heute gibt es im Erdgeschoss des Turms eine kleine Ausstellung und man kann über die frühe Besiedlungsgeschichte der Insel lernen. Nicht weit entfernt gibt es einen Zaun: Er ist aus Walknochen errichtet und ein einzigartiges Zeugnis der Walfanggeschichte Borkums.
Auch das liebevoll gestaltete Heimatmuseum Dykhaus zeugt von der Geschichte und ist bis unters Dach vollgepackt mit Gegenständen, Dokumenten und Bildern aus der bewegten Geschichte der Insel. Ein wirkliches Juwel. Seit einigen Jahren gibt es hier sogar ein Skelett eines Pottwals, welches eindrucksvoll die Inselgeschichte unterstreicht.
Unweit des alten Leuchtturms und des Heimatmuseums gibt es wieder die Gelegenheit zum Einkehren: Das freundliche Café Lütje Toornkieker, mit direktem Blick auf den alten Leuchtturm, bietet eine schöne Auswahl an Tees, Kuchen und warmen Speisen an. Man vergisst schon mal die Zeit, wenn man hier sitzt und die Zeit, die hier im Januar sehr langsam zu vergehen scheint, an sich vorbei ziehen lässt.
Im Jahre 1879 wurde der Neue Leuchtturm gebaut. Dies musste schnell passieren, war doch im gleichen Jahr der alte Leuchtturm abgebrannt und brauchte einen schnellen Ersatz. Der neue Turm ist nach wie vor in Betrieb und sein Feuer, das im Wind und Nebel nachts aufs Meer scheint, ist ein großes Stück Nordseeromantik. Die etwa 300 Stufen auf die Spitze des Turms sind schnell zurückgelegt und lohnen sich: Ein atemberaubender Blick über die Insel, bis aufs Festland und die offene See belohnen die Mühen.
Es ist kalt, wir sind durchgefroren nach so viel frischer Luft und Inselkultur. Gut, dass an unser Hotel das auch öffentlich zugängliche Thermalbar Friesentherme angeschlossen ist. Ein kleines Schwimmbar, eine finnische Sauna und ein Dampfbad. Da wärmt man sich schnell wieder auf.
Ein gutes Abendessen auf Borkum ist ebenfalls leicht zu finden: Das Restaurant Valentin’s bietet mediterran angehauchte Speisen zu moderaten Preisen bei freundlichem Service.
Das Nachtleben auf Borkum ist im Winter auf Sparflamme. Dennoch – wer nach einem Restaurantbesuch noch Lust auf einen Cocktail in geselliger Atmosphäre hat, dem sei die Bar Ria’s Beach empfohlen .
Und schon sind 24 Stunden vorbei auf der westlichsten deutschen Insel. Ich glaube, Borkum ist im Winter viel reizvoller als im Sommer. Dass Touristen ihre Autos mit auf die Insel nehmen dürfen, ist schade. Ich kann mir vorstellen, dass dadurch im Sommer die Ruhe doch gestört wird und die kleine Stadt vollkommen überladen sein könnte. Im Winter jedoch ist es ruhig, gemütlich und erholsam.