Dies ist ein kleiner Appell, die Möglichkeiten zur Visualisierung in Besprechungen zu nutzen. Keine wissenschaftliche Anleitung, nur ein wenig eigene Erfahrung. Vielleicht ergänzt sie ja der eine oder andere.
Je komplexer der Sachverhalt, desto wichtiger ist der Transport des Inhalts über visuelle Elemente. Das Skizzieren von Inhalten, das Gruppieren von Moderationskarten, das gemeinsame Malen, Rumspinnen, Brainstormen oder Mindmapping hilft mir persönlich sehr viel besser, komplexe Sachverhalte zu verstehen, als es das “gesprochene Wort” alleine könnte.
Situation in Meetings
Leider erlebe ich in Meetings häufig genau das Gegenteil. Viel Zeit in Besprechungsräumen wird mit rein akustischer Untermalung geführt. Oft wird kein Stift in die Hand genommen, selbst, wenn die Inhalte immer komplexer werden. Und das ist bei IT-Fragen leider fast immer der Fall. Das Whiteboard bleibt weiß und das Flipchart verstaubt. Nicht nur, dass es mir schwer fällt, reinem Gerede zu folgen und mir meine Bilder nur in meinem Kopf aufzubauen – man spricht einfach nicht von den gleichen Dingen: Reine Gespräche und Diskussionen sorgen dafür, dass jeder Teilnehmer ein unterschiedliches Bild im Kopf hat. Getoppt werden solche Termine nur dadurch, dass jemand mit einem Notebook da ist, das er bedient und Dinge an die Wand werfen lässt in strenger Hoheit des “Eingabemediums”. Für einen Vortrag spitze, für ein kollaboratives Meeting in No Go. Und das alles frisst Zeit: Die Abstimmungszeiten im Meeting (und darüber hinaus!) werden länger, der Verständigungsprozess ist nicht optimal und am Ende gehen die Teilnehmer auseinander und haben, wenn es ganz schlecht läuft, nicht eine einzige Entscheidung gefällt, Verantwortungen definiert oder übereinstimmende Ergebnisse erzielt. Getreu nach dem Motto: Gut, dass wir drüber gesprochen haben.
Ziele, Moderation und Zielführung
Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Alles beginnt schon vor dem Termin: Oft erlebe ich Termineinladungen, die als Inhalt gerade einmal eine Betreffzeile in Outlook enthalten. Sowas wie “Rücksprache laufende Projekte”. Schade, denn das öffnet schon Tür und Tor für all diejenigen, die gerne etwas erzählen möchten. Und das sind viele der oft zu vielen Teilnehmer, die sich in der Liste der eingeladenen Leute finden. Ich bin immer geneigt, Termine abzusagen, wenn nicht in der Bescrheibung in einem vollständigen Satz erklärt wird, warum man sich eigentlich trifft. Eine konkrete Information darüber, warum man sich eigentlich zusammensetzt, sorgt bei allen Teilnehmern für eine hoffentlich gleiche Zielerwartung und spart am Ende viel Zeit.
Ein Termin sollte immer mit einigen einleitenden Worten desjenigen beginnen, der eingeladen bzw. des Moderators des Termins. “Die Leute abholen”, damit klar ist, warum man eigentlich da ist. Aber neben all dem verbalen Moderationskram, auf den ich gar nicht eingehen will, ist es noch viel wichtiger, dass Moderationsmittel wie Flipchart, Metaplan und Whiteboard zum Einsatz kommen: Nehmt einen Stift in die Hand und malt! Ich finde es immer schade, dass die Scheu, einen Stift in die Hand zu nehmen, so groß ist. Und diese Scheu wird scheinbar immer größer, je höher Menschen in der Hierarchie klettern.
Whiteboards sind keine Raumdekoration …
Meine Erfahrung ist, dass ein Stift und das Bedienen eines solchen jedes Meeting schlagartig verändert. Der Fokus auf das, was wichtig ist, ist da und das, was an die Wand gemalt wird, ist die Schnittmenge der Bilder, die jeder in seinem Kopf malt. Die Komplexität des eigenen Bilds wird durch das Malen reduziert und der Fokus auf die wesentlichen Dinge hergestellt. Wenn etwas nicht passt, wenn man etwas nicht versteht oder anders darstellen will: Dann kann er den Stift nehmen und seine Gedanken visualisieren, Moderationskarten schreiben, aufhängen, umhängen oder gruppieren. Nur so entsteht ein gemeinsames Bild dessen, was Gegenstand der Besprechung ist. Rein akustischer Austausch oder das Tippen einer einzigen Person in ein Notebook zur Dokumentation kann dies in meinen Augen nie ersetzen: Es sind nur alle an Board, wenn man gemeinsam an einem “lebenden Objekt” entwickelt: Wenn man malt, wischt, aufhängt, umhängt, gruppiert.
Flipcharts auch nicht …
Ich kenne Leute, die malen aus dem Stand druckfähige Diagramme und Visualisierungen der komplexesten Sachverhalte. Ich wünschte, ich hätte dieses Talent. Aber fehlendes künstlerisches Talent darf kein Grund sein, nicht zum Stift zu greifen. Tabellen, Mindmaps, Stichpunkte und Diagramme kann jeder an die Wand malen oder pinnen und keiner wird diese nach ihrer künstlerischen Qualität beurteilen. Nur: Tut es! Ein toller Vorteil ist, dass das Malen und aktive Entwickeln alle an Board (oder ans Board, wenn man so will) holt, die vielleicht in Meetings nicht gerne Reden. Und die, die zu gerne Reden, werden “festgenagelt” auf das gemeinsame Bild an der Wand.
Der Termin endet, wenn das zu behandelnde Thema abgeschlossen ist. Ich weiß, es kommt nicht oft vor, dass ein Termin vor der angesetzten Endzeit vorbei ist. Aber dann ist der Termin auch rum: Jetzt noch die letzten 20 Minuten angepeilter Zeit zu nutzen, um schnell noch das andere so brandheiß wichtige Thema zu besprechen, macht in meinen Augen wenig Sinn, da die Aufmerksamkeit am Ende, die Vorbereitung auf das Thema nicht gegeben und die Zielvorgabe somit wieder nicht klar ist.
Kleine Ursache…
Ich denke, diese kleinen Dinge helfen schon ungemein, die Meetingkultur enorm zu verbessern. Sie sind so einfach und doch helfen sie, Meetings wesentlich effizienter abzuhalten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Eine Besprechung, die möglichst viel an einem Board oder Flipchart abgehalten wird, ist schneller vorbei, bringt kreativere Ideen hervor und sorgt für ein stärkeres Commitment der Teilnehmer auf die Ergebnisse. Noch dazu ist ein Meeting, in dem man malt, nicht so langweilig und einseitig geprägt vom Redeschwall einzelner: Man hat die Chance, alle einzubinden, mehr Ideen zu entwickeln und alle Teilnehmer am Ball zu halten.
Übrigens: Wenn ein Whiteboard erstmal voller toller Ideen und Ergebnisse der Besprechung ist, ist das die beste Dokumentation, die man haben kann: Smartphone raus, Foto gemacht und im Nachgang eine Zusammenfassung der Besprechung geschrieben, User Stories definiert, Wiki-Einträge geschrieben oder weitere Aktionen durchgeführt.
Es gibt ein Sprichwort, das hier genau passt.
“Ein Bild sagt mehr als tausend Worte !”
Wenn das Bild in den Köpfen aller Teilnehmer am Ende das Bild ist, was am Whiteboard oder Flipchart nach x Modifikationen/Diskussionen übrigbleibt, dann ist das Ziel erreicht. Jeder sieht das gleiche Bild und man hat sich auf ein visuell unterstütztes Ergebnis einigen können.
Ich persönlich finde es immer gut, wenn die Idee am Whiteboard wächst und gedeiht. Oder auch einfach mal komplett den Bach runtergeht, weggewischt und durch eine andere, meist bessere Variante ersetzt wird… Das schöne daran ist, man hat etwas, woran man sich “festhalten” kann, was aber auch immernoch formbar bleibt.
Flipcharts haben die Angewohnheit, die einmal gemalten Sachen zu “behalten” und nicht wieder herzugeben. Der Verbrauch an Papier ist größer, je komplexer das Thema wird. Oder aber die Einsicht, sich gerade komplett in die falsche Richtung bewegt zu haben.
Daher eindeutig das Plädoyer für die Whiteboards. Im Notfall wegwischen und nochmal anfangen….
Aus eigener Erfahrung sage ich nur, dass man möglichst nicht beide Medien mischt… Ein Flipchart-Stift auf einem Whiteboard kann schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen.. 😉
Und den Leuten, die sagen, sie können nicht zeichnen oder Workflows, Strukturen, etc. in eine verständliche oder visuell nachvollziehbare Form bringen, sei gesagt: “Einer sollte den ersten Strich machen. Das Bild ensteht dann in der Diskussion!”
Ich merke immer wieder, dass die Leute eher in der Lage sind, eine komplexe Struktur zu verstehen, wenn sie diese einmal in einer grafischen Darstellung gesehen haben, als wenn sie eine mehrseitige textuelle Dokumentation dieser Struktur ohne irgendwelche grafischen Elemente lesen. Die Information, welche ich in beiden Fällen vermittele ist die gleiche. Länger hängenbleiben im Gedächtnis wird die Grafik oder das Bild!
Also… Keine Angst! Nehmt den Stift… achtet nur darauf, dass es der richtige für das genutzte Medium ist..
Hallo Matthias, vielen Dank für diesen Beitrag und den Aufruf dazu, Meetings konstruktiver zu gestalten. Tatsächlich haben sich unsere Meetings auch durch die Nutzung von Visualisierungsmethoden und die breite Anschaffung von Flipcharts, Board Markern, Post its etc. deutlich verändert. Wie wir beispielhaft in Meetings vorgehen, habe ich einmal hier beschrieben: http://produktmanager-internet.de/2011/07/26/stattys-haftfolien-postits-workshops/. Unsere Meetings sind damit eher zu Workshops geworden, in denen alle Teilnehmer aktiv sind und ihren Input liefern.
Es gab dabei zwei zentrale Phasen der Entwicklung bei uns:
1. Hin zu einer Fokussierung auf die Ergebnisdokumentation. Das kam mit der Wiki-Einführung. Der Fokus stand lag dabei stark auf dem Bericht als Ergebnis des Meetings. Es war ein Fortschritt gegenüber der “reinen Gesprächsrunde”, da eine Dokumentation des Ergebnisses sichergestellt wurde. Somit war auch Transparenz für Leute gegeben, die nicht dabei waren.
2. Erst im zweiten Schritt kam dann die Nutzung von Papier und unterschiedlichen Visualisierungsmöglichkeiten. Dies hat sich mittlerweile so etabliert, dass wir auch bei Terminen mit unseren Kunden derart vorgehen und viel positives Feedback dazu bekommen.
Den großen Vorteil sehe ich darin, dass der Prozess der Ergebniserstellung gemeinsam und viel aktiver erfolgt. Auch ein Aufstehen, um z.B. Priorisierungen vorzunehmen, sorgt für Aktivierung der Teilnehmer.
Was ich noch anmerken möchte: Ein Bild ist nicht immer eindeutig. Ein gutes Beispiel dafür ist das Bild, in dem sich eine alte und gleichermaßen auch eine junge Frau sehen lässt: http://www.focus.de/wissen/bildung/illusionen/nichts-ist-wie-es-scheint_aid_23169.html. Daher empfiehlt es sich immer dann, wenn weitere Personen über die Ergebnisse informiert werden sollen, eine Face-to-Face-Kommunikation sicherzustellen und nicht nur ein Bild, eine Wiki-Seite oder ähnliches weiterzureichen.
Viele Grüße
Paul
Hier noch ein interessantes Video:
“it’s in the doing that the idea comes”
http://business901.com/blog1/how-to-design-like-an-architect/